Fahrsportlerin Amelie Müller (16) vom Reit- und Fahrverein Bösdorf-Rätzlingen blickt auf eine sehr erfolgreiche Saison zurück. Die Gymnasiastin aus der Börde ist Gewinnerin des Bundesnachwuchs-Championats (U16) der Zweispänner Ponys und Vizeeuropameisterin.
„Als ich mir den unfassbar schwer gebauten Parcours angesehen hatte, war ich ziemlich skeptisch.“ So beschreibt Amelie Müller den wahrscheinlich wichtigsten Moment ihrer jungen Sportkarriere. 36 Grad im Schatten machen die Aufgabe im August 2018 nicht leichter.
Die 16-jährige Wassensdorferin sitzt auf dem Kutschbock, die beiden Ponys wirken fokussiert, Vater Michael hat seinen Beifahrersitz eingenommen. Bis jetzt läuft es fast perfekt für das Team Müller bei der Fahrsport-Jugend-Europameisterschaft im ungarischen Kisbér. Schließlich ist es der erste internationale Start für die Elftklässlerin aus der Börde. Schon nach der ersten Prüfung liefen Freudentränen: „Ich konnte kaum glauben, dass ich die Dressur gewonnen habe.“ Tags darauf beendet Amelie die Geländefahrt auf Rang zwei.
Und jetzt geht es um alles bei der letzten Teilprüfung, das Kegelfahren. Das Gespann setzt sich in Bewegung, nimmt Geschwindigkeit auf, die einstudierten Bewegungsabläufe sitzen, Amelie behält die Nerven bis ins Ziel - Jubel bei der deutschen Delegation: Platz zwei in der Prüfung, Silber in der Gesamtwertung - Amelie Müller ist Vize-Europameisterin: „Das war die Krönung der Saison“, sagt sie. Und sie weiß, wer ihre Erfolgsgaranten sind: „Ohne meine Ponys Nemo und Dr. Doolittle wäre ich nie so weit gekommen. Und ein großer Dank an meine Eltern, die mich in allem unterstützen.“
Außer der sportlichen Herausforderung ist so ein Event auch eine logistische Prüfung. Amelie ist erst spät für die EM nominiert worden. „Wir mussten also mit kurzer Zeitspanne Urlaub beantragen und alle Veterinär-Unterlagen organisieren“, erzählt Michael Müller.
So macht sich der Familientross mit Lkw und Anhänger, mit zwei Kutschen und drei Ponys, auf den Weg in das 900 Kilometer entfernte Kisbér mit Zwischenstation in Österreich. „100 Kilometer vor Wien haben wir noch ein kurzes Trainingslager absolviert“, erzählt Vater Müller.
Stichwort größter Erfolg: Im Juli holte sie sich den Sieg beim Bundesnachwuchs-Championat U16 der Zweispänner Ponys. Der Wettkampf in Ostenfelde bei Warendorf war nicht minder spannend. In den drei Jahren zuvor belegte Amelie jeweils den zweiten Platz in der U16-Kategorie. Sie erzählt: „Ziemlich aufgeregt ging ich als letzte in den Kegelparcours. Ich lag in Führung, hatte nicht viel Vorsprung. Im Ziel habe ich die Jubelschreie meiner Leute gehört. Da wusste ich, ich habe es geschafft.“
Michael Müller ist Vater, Trainer und meist Beifahrer (manchmal auch Doreen Wilhelms). Er sagt über Amelie: „Sie ist stets gut gelaunt mit einem Lächeln im Gesicht. Zu ihren Stärken gehört die Teamfähigkeit, auch abseits der Wettkämpfe.“
Seit einem Jahr gehört die Schülerin zum Nachwuchs-Bundeskader, inklusive entsprechender Trainingslehrgänge. Daheim trainiert sie mit ihrem Vater: „Im Sommer sechsmal pro Woche, im Winter nur an den Wochenenden“, erklärt Amelie. Entweder fahren die Müllers zum fünf Kilometer entfernten Reitplatz nach Bösdorf oder sie absolvieren ihre Einheiten auf einer Wiese in der Nachbarschaft. Müller Senior meint: „Das passiert mit allen bekannten Schwierigkeiten, wenn Eltern ihre Kinder trainieren.“
Die Faszination Fahrsport definiert Amelie so: „Ich liebe die Arbeit mit den Pferden, verbunden mit der Herausforderung, zwei Tiere gemeinsam zu steuern.“
Video: Amelie im Wettkampfmodus
Als dreijähriges Kind saß sie erstmals auf einem Pferd. Ein Jahr später stand das erste Pony im heimischen Stall. „Danach ist sie ab und an im Sulky durch die Gegend gefahren“, erzählt Michael Müller, der vor mehr als 20 Jahren zum Fahrsport kam: „Auslöser war Familie Stottmeister aus Bösdorf, mit der wir befreundet sind.“
Jahre später ging Amelie in Breitenrode reiten und in Oebisfelde Handball spielen: „Beides habe ich vor zwei, drei Jahren aufgegeben, um mich auf den Fahrsport zu konzentrieren.“ Pokale und Schleifen hat sie in ihrem Zimmer hübsch aufgebaut. Alle Vorzeichen deuten darauf hin, dass weitere Trophäen hinzukommen werden.
Dieses Jahr wechselt Amelie Müller in die U25-Kategorie. Ihr Ziel: „Ich möchte an den deutschen Meisterschaften in München teilnehmen.“
Dort wird sie wieder (wie im ungarischen Kisbér) auf einen unfassbar schwer gebauten Parcours blicken…
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