Aus Genthin berichtet Falk Heidel
Es waren einmal zwei junge Männer mit der Idee, ein Fuhrunternehmen zu gründen. So beginnt die einhundertjährige Geschichte von Kleinschmidt & Klavehn in Altenplathow.
Albert Kleinschmidt und Fritz Klavehn waren Schwager – verheiratet mit den Schwestern Ella und Ilse. Die Kaufleute hatten viele gute Ideen und ein Konzept, wie das Unternehmen funktionieren sollte: Ein Handelsbetrieb für Getreide, Futtermittel und Kohle zum Heizen. Mit mehreren Gespannen machten sich die Familien an die Arbeit: „Mein Großvater Albert Kleinschmidt war Pferdezüchter. Für den Antrieb der Kutschen war also bestens gesorgt“, erzählt Renate Meißner. Sie führte das Unternehmen einst in dritter Generation.
Im September 1919 startete die kleine Firma an der Altenplathower Straße 81. Sechs Jahre später zog der Betrieb in die Jerichower Straße 12 um – dort ist Kleinschmidt & Klavehn noch immer zu finden. Im selben Jahr, also 1925, gab es noch einen weiteren Einschnitt – Fritz Klavehn wanderte mit seiner Ehefrau nach Florida aus. Renate Meißner: „Welche Gründe es dafür gab, weiß heute niemand mehr.“
Jahre später hatte der Zweite Weltkrieg auch an der Jerichower Straße seine Spuren hinterlassen. Während Albert Kleinschmidt erst spät von der Front nach Hause kam, kümmerten sich die Frauen um Haus, Hof und Geschäft – Ehefrau Ella und Tochter Johanna. Erschwerend hinzu kam, dass sich russische Offiziere als Besatzer 1945 in das Haus „eingemietet“ hatten. Renate Meißner: „So sehr sie es auch versucht hatten, den Geldschrank im Arbeitszimmer mit den wichtigen Papieren haben sie nicht aufbekommen.“
Seit den Krisenzeiten vor dem Krieg arbeitete das Unternehmen auch mit einem Holzgaswagen. Das unverwüstliche Teil tat bis in die 50 Jahre seinen Dienst und ist in einem Gedicht von Gert Moeller aus dem Jahr 1954 zur Firmengeschichte verewigt: „Dieses Gedicht werden wir im Rahmen der 100-Jahrfeier unseren Gästen vortragen“, erzählt der aktuelle Firmenchef Jens Meißner. Als Ehemann von Kleinschmidts Tochter Johanna übernahm Gert Moeller den Betrieb 1961. Zu dieser Zeit wurden auch die ersten Lkw angeschafft. Fahrzeugbauer MAN firmierte seinerzeit noch unter dem Namen Büssing AG. Die Zeiten änderten sich nach dem Krieg rasant – auch das Angebots-Spektrum von Kleinschmidt & Klavehn. Für ein Konsument- und Versandhaus in Karl-Marx-Stadt (heute Chemnitz) war das kleine Genthiner Unternehmen für Lager-, Kommissionierungsarbeiten sowie Auslieferung der Waren zuständig. Zudem war der Betrieb Hausspedition von Robotron in Dresden. Damals war dieses Kombinat weltberühmt für seine Büromaschinen. Ein Beispiel ist die Schreibmaschine namens Erika. Später war Robotron einziger DDR-Produzent von Computern.
Einen weiteren Wendepunkt in der Unternehmensgeschichte gab es 1987. Völlig überraschend stirbt Gert Moeller im Alter von 69 Jahren. Für Tochter Renate Meißner blieb nicht viel Zeit zum Trauern: „Das Geschäft musste ja weiterlaufen.“ Sie übernimmt die Führung – muss sich als Frau in einer Männerwelt durchbeißen. Die heute 70-Jährige erinnert sich: „Ich bin damals auch gefahren und konnte mit den Lastwagen gut umgehen. So habe ich mir den nötigen Respekt verschafft.“ Und noch etwas ist in Erinnerung geblieben: „Die SED-Kreisleitung wollte, dass der Firmenname in Meißner geändert wird.“ Doch die Frau an der Firmenspitze blieb standhaft – der Name Kleinschmidt & Klavehn hat sämtliche Gesellschaftssysteme überstanden. Davon konnte sich auch Fritz Klavehn überzeugen, der sich 1978 aus Florida auf den Weg gemacht hatte, um Genthin zu besuchen.
Schon damals lachte man über die alten Geschichten. Zum Beispiel vom Kohleauslieferer mit Gespann, der an jeder Haustür mit einem Schnaps belohnt wurde und auf der Rücktour auf dem Wagen schlief – doch die Pferde kannten ihren Heimweg. Mittlerweile hatte der Betrieb neue Lkw angeschafft. Mit den drei W50 haben die Fahrer unter anderem das Bier aus der Genthiner Brauerei an die Gaststätten der Umgebung ausgeliefert. Mit zwei ZT-Traktoren kümmerte sich die Firma unter anderem um den Winterdienst. Renate Meißner führte das Unternehmen über die Wende 1990 in die neue Zeit. Nach 49 Jahren im Unternehmen, davon 28 Jahre als Chefin, übergab sie die Geschäfte im Januar 2016 an ihren Sohn Jens Meißner, der den Betrieb in vierter Generation führt.
Er weiß, wie der Hase läuft beziehungsweise der Fahrer fährt: "Ich bin all unsere Touren selbst gefahren, habe sämtliche Schichten absolviert." Nach einer Lehre zum Kfz-Mechaniker und der Arbeit bei einer Berliner Spedition, stieg Jens Meißner zunächst als Kraftfahrer in den elterlichen Betrieb ein. Jetzt führt er ein Unternehmen mit 29 Mitarbeitern sowie 25 Fahrzeugen vom Pkw bis zum 40-Tonnen-Diesel: "Damit sind wir bundesweit unterwegs."
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Casryn Karstedt (Dienstag, 20 August 2019 19:40)
Alles Gute zum 100jährigen Bestehen und weiterhin viel Erfolg.
Christina Buchwald (Dienstag, 20 August 2019 19:58)
Herzlichen Glückwunsch zum 100. firmengeburtstag und vorallem viel Erfolg und hoffentlich später das Interesse der Kinder die Firma auch in 5. Generation weiterzuführen.
Alles gute !!!
Christa Krzewsky (Mittwoch, 21 August 2019 19:28)
Ja wirklich eine 100 jährige Geschichte mit tollen Menschen.Weitere viele erfolgreiche 100Jahre.Glückwusch
Ueberlein (Samstag, 05 August 2023 06:26)
Haben Sie ein Buch von Klavehn zufällig übrig?
Ich meine die Ahnentafel Klavehn.
Gehöre auch zu den Klavehn Enkels aus HDL.
pitti02101953@aol.de